Ich bin ein Walter – holt mich hier raus!

Die letzte Staffel vom Dschungelcamp war die erste, die ich jemals gesehen hatte. Sicher war es auch dem Umstand geschuldet, dass ich erstmals etwas mit den Namen und Gesichtern anfangen konnte, die dort zwischen den Palmwedeln ihre relativ uninteressanten Redebeiträge von sich gaben. Warum ich weitergeschaut habe? Weil sich relativ schnell das Bild auf die Szenerie verschoben hat. Genau genommen, mein persönliches Bild auf die dort anwesenden Personen. Die Stars und Sternchen, die in meinen Augen immer einen freundlichen und smarten Eindruck hinterlassen haben, stellten sich als das Gegenteil heraus. Andere Personen hingegen, die mir nie wirklich sympathisch waren, stellten sich als charmant und großherzig herausgestellt.

Das Bild verschob sich massiv und so blieb ich am Abend immer öfter an der Sendung hängen. Zu einem Teil gehört sicher auch ein gewisses Maß an „Theater“ zu diesen Vorstellungen, jedoch kommt sicher der eine oder andere an seine Grenzen und verliert wirklich die Contenance. Wenn wir dann noch den Schnitt der Sendung beachten, dann sieht man recht deutlich, in welche Richtung und zu welcher Meinung der Zuschauer gedrängt werden soll.

Dennoch, sind wir so eine traurige Gesellschaft? Brauchen wir wirklich das Leid der anderen, um uns darin zu suhlen?

Irgendwann während der 4 oder 5ten Folge der neuen und aktuellen Staffel, fand ich das Dschungelcamp mal wieder beim herumschalten. Klar habe ich mir das Spektakel angesehen. Wer die Rolle des Sunnyboys, des Losers, des Sexprotzes, der Witzfigur etc. einzunehmen hat, war schnell anhand der Kommentare abzulesen. Ebenso, wer schnell wieder gehen kann, weil er so gut wie gar nicht im Zusammenschnitt gezeigt wird.

Und dann schaute ich mir Walter Freiwald an. Insgesamt habe ich drei Folgen gesehen und eigentlich bin ich für diese Staffel schon übersättigt. Anscheinend bin ich die einzige auf der Welt, die eigentlich nur Mitleid und Verständnis für ihn aufbringen kann. Die Welt lacht und lästert über Sprüche wie:

„Wetten, dass..?“ wäre zum Beispiel eine Sache, die ich mir gut vorstellen könnte. Oder so etwas wie Günther Jauch würde ich gerne machen.“

„Ich muss aufpassen, was ich sage, deshalb sage ich das nur hier in diesem Raum.“ (zu einem Millionen-Publikum)

„Da ist schon wieder dieser Fotograf, der hat mich damals schon nicht fotografiert. Und jetzt fotografiert er mich schon wieder … nicht!“

„Hallihallo, ich bin der Walter Freiwald, und ich bin noch nicht am Ende meines Lebens, das wollte ich mal sagen. Ich hab‘ noch viel Kraft und Energie, und vielleicht können Sie die ja umsetzen.“ (an potentielle Arbeitgeber)

„Wenn die mich anpinkeln, dann pinkel ich zurück. Und fertig, aus. Das ist doch das Spiel – sich anzupissen.“

„Harry Wijnvoord wollte mir immer die Wurst vom Brot nehmen.“

Ich kann so gar nicht darüber lachen. Traurige Gesellschaft. Nehmen wir mal an, dass Walter Freiwald wirklich die Kindheit erlebt hat, die er geschildert hat. Keine Anerkennung, keine Zuwendung, keine positive Bestärkung, keine Liebe, aber dafür viel Gewalt. Wenn ich grob aus den Medien zitieren darf: „Ich hatte keine Beziehung zu meinen Eltern. Ich hatte Angst vor denen, sie haben mich geschlagen. Ich dachte immer, warum muss ich leiden, dass ich da bin?“ Er sei froh gewesen, als die Kindheit vorbei war. „Inzwischen sind meine Eltern tot. Aber ich bin nicht in der Lage zu trauern.“

Und was denkt ihr da draußen? Er zog mit 17 Jahren aus und dann? Wird man dann plötzlich der glückliche Erwachsener, weil man es als Kind nicht war? Die Narben, die er dadurch auf der Seele trägt, werden heute auch noch schmerzen. In meinen Augen ist es ganz offensichtlich. Allein seine extreme Abhängigkeit von seiner Frau, beweist mir, dass er sich die Story nicht gänzlich aus den Fingern gesogen haben kann. Ich zitiere wieder: „Ich würde aus Liebe zu meiner Frau alles tun. Wenn ich diese Liebe verliere, verliere ich mein Leben.“

Und alle seine Aussagen, dass er im Job gemobbt und unterdrückt wurde, würde ich auch unterschreiben. Nicht das es wirklich geschehen ist, aber das er es so empfunden hat. Anders hat er es ja auch nicht gelernt.

Das ist meine kleine Sicht auf diese Dinge, und ich finde es echt krank, wie sehr die Medien, deren Vertreter und vor allem wir, die Zuschauer, sich über ihn echauffieren. Vielleicht habe ich unrecht, und es ist die perfekte und exzellent vorbereitete Story. Ich glaube nicht daran.

Lasst ihn doch einfach seinen Seelenfrieden. Lasst ihn einfach über die Welt triumphieren. Lasst ihn einfach endlich mal „jemand“ sein. Lasst Walter wo er ist. Lasst ihn gewinnen.

Eure Julusch

Eine Antwort zu “Ich bin ein Walter – holt mich hier raus!”

  1. hm……. es gefällt mir, was du da geschrieben hast, liebe Julusch.
    Im Großen und Ganzen gebe ich dir vollkommen Recht. ich denke auch, er ist eigentlich sehr einsam, unser Walter. Trotz Familie. Einsam nicht mit Familie, sondern dadurch, dass er keinen Job beim Fernsehen mehr hat. Jetzt genießt er die Aufmerksamkeit und dass er wieder ein Teil von etwas ist. Nämlich von der Rasselbande im Dschungel.
    Aber trotz allem sollte er aufpassen was er sagt, manches ist sehr verletzend, den anderen gegenüber.

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: