Vom Liebhaben und Kinderkriegen

Als ich heute den Beitrag „Einfach ekelhaft“ gelesen habe, kam in mir so viel alte Wut wieder hoch. Kindermissbrauch ist ein Thema, über das ich nicht schreiben kann und sollte.

Die Leichtgläubigkeit der Menschen, die Dummheit und das verschließen der Augen vor der Realität, bringen mich stets an den Rand des Wahnsinns. Ich kann nicht über dieses Thema schreiben, denn wenn ich irgendwann unten ankommen würde in meinem Beitrag, dann wäre ich sicher dermaßen in Rage, dass es nicht wirklich gut ausgehen würde. Daher mein kleiner Beitrag in Kurzform.

Ich habe mein Kind im vierten Lebensjahr Stück für Stück aufgeklärt. Als Hilfestellung nutzte ich das Buch „Vom Liebhaben und Kinderkriegen“. Es ist wundervoll geschrieben, mit vielen Bildern und die Kinder werden beim Vorlesen eingebunden, indem das Buch gezielt Fragen zum Thema stellt.

Als in meinem Umfeld bekannt wurde das ich das getan habe, war die Empörung sehr groß. Ich hörte Aussagen wie:

„Deine Tochter ist noch zu jung, du schadest ihr damit.“
„Warum traumatisierst du deine Tochter?“
„Nur weil du überall Gespenster siehst, musst du das Kind doch nicht da reinziehen.“

Meine Antwort darauf war immer sie selbe:

„Wenn man einem Kind nicht beibringt, was richtig und was falsch ist, wie soll es dann erkennen, dass der liebe Onkel etwas falsches tut?“

Das Buch ist toll und schneidet das Thema Pädophilie nicht an, aber macht darauf aufmerksam, dass man auch als kleines Kind das Recht hat zu sagen, wenn man nicht „liebgehalten“ werden will. Also nochmal meine Frage in diese Runde: „Wenn man einem Kind nicht beibringt, was richtig und was falsch ist, wie soll es dann erkennen, dass der liebe Onkel, der Papa, der Großvater, der Nachbar, der Kindergärtner etwas falsches tut?“

Die Welt verschließt die Augen, wir verschließen unsere Augen.

Ich habe das Buch vielen Müttern empfohlen und es passierte fast immer das gleiche. Sie zweifelten und der Vater fand es unangebracht und hat sich verbeten, die Kinder in jungen Jahren bereits mit einem eigenen Körper und der Sexualität zu konfrontieren.

Wenn wir in unserer Gesellschaft endlich einsehen würden, dass sexuelle Früherziehung, angepasst an die Entwicklung des Kindes, etwas Gutes ist, dann hätten die Pädophilen es nicht so leicht wie heute. Und wenn unser Rechtsstaat auf Kindesmissbrauch endlich so hohe Strafen aussprächen würde wie auf Steuerhinterziehung, dann wäre das eine ganz feine Sache.

Ergänzung: Und weil es gerade so schön passt, hier ein Beitrag von Lis.

4 Antworten zu “Vom Liebhaben und Kinderkriegen”

  1. Liebe Julusch,

    erstens: Ich finde, du solltest trotzdem drüber schreiben, ob nun privat für dich oder öffentlich. Nur so kommst du mit den in dir schlummernden Gefühlen wirklich in Kontakt. Immer raus damit. Die Büchse der Pandora will geöffnet und auch mal geleert werden. Wenn du es nicht tust, vergiftet es dich von innen her mit der Zeit. Du tust dir damit nichts Gutes. Andererseits weiß ich, dass es für alles die rechte Zeit gibt. Insofern… Vielleicht ist deine Zeit dafür noch nicht gekommen.

    Zweitens: Ich komme immer wieder mit Frauen in Kontakt, die als Kinder missbraucht wurden. Meine Mutter und meine Schwägerin gehören auch dazu. Ich könnte fast zu dem Schluss kommen, dass fast alle Frauen außer mir als Kind sexuell missbraucht wurden.

    Drittens: Ich habe mich intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt, von allen Perspektiven an Betroffenen her. Ich habe für mich Antworten gefunden, warum Menschen so etwas tun. Aber wer fragt „wie kann man nur“ und „warum tun Menschen nur so etwas“, will meistens die Antwort nicht wirklich wissen. Und vielleicht kann man auch mit einer Antwort nichts anfangen, solange Wut und Schmerz in einem eingeschlossen sind.

    Einfach meine momentane Sicht zum Thema.

    LG
    Marion

    Gefällt 2 Personen

    • Ach so, ich hab vergessen zu sagen: Meine Mutter hatte ihre eigene Vorstellung, wie sie mich davor bewahren wollte, etwas ähnliches zu erleben. Sie hat mir damit nicht nur genützt. Hätte sie offen mit mir über ihre Erfahrung gesprochen, hätte ich damit mehr anfangen können. Das tat sie erst zu einem Zeitpunkt, als ich schon erwachsen war, selbst Kinder hatte und sie sich – von meinem Beispiel ermutigt – psychotherapeutische Unterstützung suchte.

      Problematisch scheint mir, wenn eine Mutter mit solcher Erfahrung ihres auf die Tochter überträgt zu einem Zeitpunkt, wo sie selbst mit den Gefühlen diesbezüglich noch nicht im Reinen ist. Sie kann dann durchaus Schaden anrichten und z.B. mit dazu beitragen, dass eine „normale“ Beziehung zur Sexualität nur schwer entwickelt werden kann.

      Gefällt 1 Person

      • Liebe Marion,

        danke das du dir die Zeit genommen hast mir ausführlich deine Sicht zu schildern. Ich gebe dir recht, es gibt für alles eine Zeit, aber meine ist definitiv noch nicht gekommen. Nicht zu diesem Thema. Was mir besonders gut gefallen hat war dein Satz … „wer dieses oder jenes fragt, will die Antwort nicht wirklich wissen.“ Das ist auch die Erfahrung, die ich mit meiner Umwelt gemacht habe. Sie stolpern halb Blind durch das Leben und hoffen das nicht böses geschieht. Und wenn, dann trifft es ja sowieso die anderen.

        Eine Freundin von mir sagte eins: „Bei unseren Kindern besteht keine Gefahr, weil wir nicht in einer Großstadt wohnen.“

        Was soll ich dazu noch sagen.

        Die Ignoranz dieser Menschen ist das, was mich so furchtbar wütend macht. Wobei ich das jetzt nicht auf meine Freundin beziehe.

        Das mit deiner Mutter tut mir leid. Ich kann nicht nachvollziehen, ob man mit einer solchen Erfahrung, über das erlebte offen sprechen kann. Ich musste leider auch Menschen kennenlernen, denen schlimmes widerfahren ist, und noch schlimmer – die Täter gleich dazu. Und sie laufen nach wie vor da draußen herum. Aber wo kein Kläger, da auch kein Richter.

        Angst und vor allem Scham hält diese besonderen Menschen (die ich persönlich kenne) davon ab, etwas zu unternehmen.

        Ach, ich könnte mich da gerade wieder reinsteigern.

        Wie war denn dein Umzug? Bist du schon mit Kopf und Leib angekommen?

        Gruß Julusch

        Gefällt 1 Person

      • Liebe Julusch,

        meine Schwägerin hatte etwas unternommen, nachdem sie durch die Unterstützung einer Psychotherapie die nötige Energie und den Mut dafür gefunden hatte. Sie hat den Täter angezeigt, ein Verfahren wurde eröffnet. Ergebnis: Sache verjährt. Weder er noch seine Frau, bei denen meine Schwägerin als kleines Kind über die Ferien ihrer Eltern weilte und wo das passiert war, wollten etwas davon wissen. (Die beteiligten Frauen der Täter haben immer eigene Gründe, warum sie wegschauen und nichts davon wissen möchten.)

        Meine Mutter hat dann mit mir darüber gesprochen, als es für sie offensichtlich Zeit war, das Erlebte – innerhalb der Psychotherapie – anzuschauen.

        Ich verstehe den Wunsch nach Genugtuung oder Gerechtigkeit im Außen sehr gut (Verurteilung der Täter). Ob es das, was man im Inneren trägt, wirklich zu heilen vermag? Ich fürchte nicht. Persönliche Konfrontation gehört für mich aber auf jeden Fall dazu, so funktioniere ich, was das angeht, was mir widerfahren ist.

        Ich glaube grundsätzlich, dass ein Schauen darauf, was die ANDEREN tun, die Gesellschaft, Freunde, Verwandte usw., kein Stück weiter hilft. Obwohl ich es natürlich auch immer wieder tue und auch darüber spreche, was ich dort beobachte. Natürlich muss sich auch dort etwas weiter bewegen und entwickeln, ein verändertes Bewusstsein muss und wird wachsen. Aber um Frieden mit dem zu finden, was man erlebt hat, mit anderen Worten, um zu heilen was in einem drin kaputt gegangen ist, braucht es das intensive sich mit sich selbst und dem Inneren auseinander setzen.

        Und übrigens wird auch nichts von dem, was innerlich kaputt gegangen ist, dadurch geheilt oder in Ordnung gebracht, wenn man dafür sorgen könnte, dass nie mehr auf der Welt Kindern ähnliches widerfährt, wenn man die Macht hätte.

        Das andere ist, jetzt mal ganz abgesehen von dem Thema ’sexueller Missbrauch an Kindern‘. Es gibt ja noch andere (ähnlich) traumatische Dinge, die Kindern zugefügt werden und weitreichende Folgen haben. Auch Jungen können von Müttern missbraucht werden, selbst wenn es „nur“ emotional passiert. Ich erlebe auch, was mit Menschen und ihrem Leben passiert, die nie genug Mut haben an die inneren Verletzungen heran zu gehen, die immer einen Grund haben warum jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, die doch einfach nur Freude und Spaß haben möchten anstatt in Problemen zu wühlen (so wird es dann genannt), die das Gefühl haben es nicht zu überleben, wenn sie zulassen das zu fühlen, was in ihrem Innern schlummert, es lieber immer wieder wegdrücken. Diese Menschen fügen nicht nur sich selbst beständig weiter Leid zu (weil sie mehr vegetieren als wirklich leben, also nicht das erleben was sie erleben möchten, nämlich Freude und Spaß zu haben), sondern auch all jenen, die sich auf sie einlassen.

        Letztlich glaube ich, kann jeder nur für sich selbst sorgen, so gut er kann. Wenn das jeder gewissenhaft, mit Mut und Liebe zu sich täte, dann wäre der Menschheit soviel weiter geholfen. Es ist leicht, auf die anderen zu zeigen, deswegen tun wir es alle immer wieder. Es ist viel schwerer, das Eigene anzugehen und die meisten tun es erst, wenn sie mit sich derart an eine Grenze geraten, dass ihr Leben auf dem Spiel steht oder sie einfach nicht mehr wie bisher weiterleben können. Manchmal wünschte ich, das würde schneller und häufiger passieren, damit die Menschen das wirklich angehen, was in ihnen Unfreiheit und Unfrieden auslöst und beständig in diese Welt fließt, solange es nicht bearbeitet wird.

        Aber du weißt ja, manchmal bin ich auch mit anderen streng und komme so daher, als hätte ich die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ich habe für mich jeweils auch nur das getan, was ich tun musste und konnte in den jeweiligen Lebensphasen. Und ich bin immer noch dran, es geht immer weiter.

        Ich bin noch nicht umgezogen. Für die neue Whg. wurde mir ein Übergabetermin um den 25. in Aussicht gestellt, ich habe aber noch immer keinen definitiven Termin. Für meine jetzige Whg. habe ich evtl. den 29. als Übergabetermin in Aussicht gestellt, dazwischen muss ich ja noch putzen. Ich sitze mehr oder weniger auf gepackten Kisten, bin immer noch dabei in einem für mich verträglichen Tempo das letzte zu erledigen, bin gut in der Zeit, werde aber bis zuletzt beschäftigt sein mit Kleinkram. Der Termin mit der Umzugsfirma ist auch noch offen und je weiter es auf 1. zugeht, umso unflexibler werden die sein. Es ist ein Reinigungsprozess ganz eigener Art, aber auch ein spezieller Kraftakt, das erste Mal völlig allein (mit Umzugsfirma) umzuziehen, die alleinige Verantwortung zu tragen (so fühlt es sich an), mich aus dieser Whg. nach und nach zurück zu ziehen und dann erst langsam in die neue Whg. hinein zu wachsen. Alles zu seiner Zeit… ;)

        Lieben Gruß
        Marion

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