Freund oder Feind: Wundheilung

Ich habe mich verletzt.

Es ist eine Wunde, die nicht schlimmer ist, als manche andere Verletzungen in meinem Leben. Das was sie von anderen Wunden unterscheidet, ist der kaum auszuhaltende Juckreiz beim Heilungsprozess. Doch warum juckt es überhaupt? Warum tut eine Wunde nicht einfach nur weh, es bildet sich Schorf darauf, sie tut etwas weniger weh, und mit Abfallen des Schorfes, sind alle Spuren beseitigt und der Schmerz verschwunden.

Wäre das nicht besser? Wäre das nicht viel, viel einfacher?

Während ich gerade auf genau diesen Schorf starre, ihn langsam aber sicher von meiner Haut kratze, denke ich genau über diese Fragen nach.

Ich bin mir sicher, dass ich schon Verletzungen hatte, die ohne jeglichen Juckreiz verheilten. Ich muss mich ablenken und mehr darüber erfahren. Und wie macht man das am besten? Klar doch, Tante Wikipedia um Rat ersuchen.

Dort entnehme ich, dass es verschiede Arten an Wunden und der damit einhergehenden Wundheilung gibt. Nur so viel möchte ich Euch wiedergeben:

„Die Wundheilung ist ein natürlicher Prozess und beginnt bereits wenige Minuten nach der Verwundung. Blutplättchen treten an die geschädigte Stelle und versuchen sie zu verschließen. In einigen Fällen entsteht über eine Flüssigkeitsabsonderung eine Schorfbildung, was auch den mit der Wundheilung einhergehenden Juckreiz auslöst.

Dem Arzt obliegt es lediglich den Wundschmerz zu lindern, einer Komplikation oder Infektion vorzubeugen, eine Verzögerung zu verhindern und das kosmetische Resultat so optimal wie möglich zu gestalten.

Eine echte Wundheilungsbeschleunigung gibt es noch nicht, allerdings ist je nach Wundtyp ein trockenes oder feuchtes Wundmilieu von Vorteil. Das Ziel der Heilung ist eine völlige Wiederherstellung, funktionell wie kosmetisch, die aber in vollem Umfang selten zu erreichen ist.“

In diesem speziellen Fall bin ich Arzt, Krankenschwester und Pfleger in einem. Ich sorge definitiv für ein ausgeglichenes feuchtes Wundmilieu. Meistens in Form eines guten chilenischen Cabernet Sauvignon.

Der ganze Wundheilungsprozess dieser Wunde lief zwar extrem schleppend, aber immerhin konnte man Woche für Woche, Monat für Monat kleine Schritte in die richtige Richtung beobachten. Weg vom Kratzen bis hin zum kaum noch wahrnehmbaren Juckreiz. Soweit so gut.

Ich wachte heute Morgen auf, war guter Dinge und freute mich über meine dampfende Tasse Tee, die mein Mann mir ans Bett gestellt hatte.

Nach einem kurzen Besuch im Bad warf meinen Rechner an, und wählte mich in die erste Telefonkonferenz. Sie kam und verging ohne nennenswerte Vorkommnisse. Ich bearbeitete noch ein paar E-Mails und wählte mich anschließend in die nächste Telefonkonferenz ein. Das Thema war wenig fesselnd und so hörte ich nur mit einem halben Ohr zu, während ich auf meinen „Einsatz“ wartete. Das zweite Ohr, oder besser gesagt das zweite Auge, huschte derweil im Internet herum und schaute nach der einen oder anderen Information, die ich für den heutigen Abend benötigen würde.

Und dann passierte es.

Es öffnete sich ein Fenster und vom Scheitel bis zu den Füßen war alles an mir ein gigantischer Juckreiz. Ich hätte einfach den Telefonhörer wegwerfen sollen und schreiend bis zur vollkommenen Erschöpfung rennen. Egal wohin, egal wo lang, nur weg.

Hätte, hätte Fahrradkette. Ratet mal was ich tat?!

Überraschung – ich kratzte. Obwohl ich in der Theorie genau weiß, das Kratzen keine Option ist, kratzte ich dennoch. Nur ein ganz klein wenig. Nur ein kleines bisschen. Soweit entfernt von der Wunde, wie es nur eben ging.

Wie hieß es bei Wikipedia: „Eine echte Wundheilungsbeschleunigung gibt es noch nicht.“ Aber, ich kann Euch aus eigener Erfahrung sagen, dass es genug Möglichkeiten gibt, den Wundheilungsprozess zu verlangsamen. Oh ja. Denn es ist egal, wie laut ein Kätzchen schnurrt, weil es nur versucht zu verstecken, was für ein kratzbürstiges D*****vieh es ist.

ABER – ich versuche positiv zu bleiben, und mit diesem Beitrag wieder eine erste Schicht an Wundsalbe auf meine Haut aufzutragen. Aufschreiben – loslassen. Denn das letzte was ich derzeit gebrauchen kann, sind dumme Männer auf dummen Pferden. Tja nun, wahrscheinlich habe ich sie in meinem Leben selten so sehr gebraucht wie jetzt. Also muss ich umso schneller rennen. Schon wieder.

Es wird der Tag kommen, an dem auch dieser Schorf abfällt und hoffentlich nichts weiter als eine hässliche Narbe hinterlässt.

Erfahrungen, das sind die vernarbten Wunden unserer Dummheit. – John Osborne

6 Antworten zu “Freund oder Feind: Wundheilung”

  1. Doch ich verstehe Dich. Ich glaube der Mensch ist so gepolt, dass er an alten Wunden, auch den seelischen immer wieder kratzen muss, das Erlebte immer wieder rausholt. Und sich selbst keinen Gefallen damit tut. Oder man hat es verdrängt, hofft, dass es verheilt ist und plopp plötzlich ist es wieder da steht im Raum und schmerzt ganz furchtbar :-(

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  2. Sorry, du sprichst für mich in Rätseln. Erst dachte ich an Wundheilung im übertragenen Sinne. Dann schien mir, es geht doch um eine tatsächliche Wunde der Haut. Zuletzt musste ich wieder vermuten, dass das gar nicht gemeint ist. Auch wenn ich den übertragenen Sinn annehme, kann ich die Details nicht zuordnen.

    Hoffe aber, dass dir das Aufschreiben geholfen hat.

    LG
    Marion

    Gefällt 2 Personen

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