Sylvia Kling schrieb und veröffentlichte auf ein Gedicht über Polen und insbesondere über die Stadt Danzig. Ich bin in Danzig geboren und verfolgte interessiert die Konversation die entstand. Natürlich, das bleibt bei Polen nicht aus, kam man auch auf die Kirche bzw. den Glauben zu sprechen.
Für mich persönlich, die sowohl zu den Katholiken in Deutschland und den Katholiken in Polen engen Kontakt hatte, treffen zwei Welten aufeinander, die nur oberflächlich einer gleichen Religionsgruppe angehören.
Ich bin, was den Glauben betrifft, ein sehr einfach gestrickter Mensch. Ich glaube das wir geboren werden, das wir sterben und dann Wurmfutter sind. Nicht mehr und nicht weniger. Klappe zu – Affe tot.
Was mich vielleicht von anderen ungläubigen, durchschnittlichen Sündern unterscheidet, ist meine tiefe Abneigung die ich der römisch katholische Kirche entgegenbringe. Ich gebe auch gerne offen zu, dass meine Gefühle mich in diesem Beitrag beeinflussen werden.
Diese Abneigung sitzt so tief, dass ich gänzlich darauf verzichte Angehörigen dieser Sippschaft vorurteilsfrei zu begegnen. Ich bin mir dessen durchaus bewusst und möchte daran auch nichts ändern. Im Gegenteil – oft habe ich das Gefühl nicht genug tun zu können, um den Makel meiner Taufe und Kommunion von mir abzuwaschen. Ausgetreten bin ich natürlich schon vor vielen, vielen Jahren und es bleibt nichts mehr zu tun. Leider.
Ich war mal ein kleines, braves katholisches Mädchen. Ich glaube sogar mich dunkel daran zu erinnern, dass ich die Existenz eines Gottes zumindest nicht ausgeschlossen habe. Wahrscheinlich. Wir waren nicht religiös und besuchten auch nicht die Kirche.
Dann verliebte sich meine Mutter in einen freundlichen, polnischen Orgelspieler. Was unter anderem dazu führte, dass meine Mutter mich jede Woche in die Kirche schleppte. Für sie war das ein riesiges Happening. Von überall aus dem Umland kamen Polen angefahren, um den polnischen Gottesdienst zu besuchen.
Danach traf man sich vor der Kirche, unterhielt sich, lachte und man unternahm im Anschluss etwas miteinander. Ich durfte dann wenigstens zum Hauptbahnhof laufen und mit der S-Bahn heimfahren. Wenigstens etwas.
Zum Glauben fand sie dennoch nicht. Sie saß bei ihrem neuen Freund auf der Empore, lackierte sich die Nägel oder tat, was sie sonst zuhause nicht mehr geschafft hatte. Ich versuchte einfach nur immer zum richtigen Zeitpunkt zu stehen, zu sitzen oder zu knien. Denn sonst gab es mächtig Ärger, und das hatte bei meiner Mutter durchaus etwas zu bedeuten.
Der Freund meiner Mutter verließ sie nach ein paar Jahren und so musste ich auch nicht mehr in die Kirche. Als ich älter wurde, habe ich mich mit Esoterik beschäftigt. Ich habe in verschiedene Bereiche reingeschnuppert, aber nachhaltig blieb nichts zurück. Und dann kam der große Wandel.
Fast über Nacht mutierte meine Mutter zum Oberchristen. Ich denke es wird an dieser Stelle langweilen, wenn ich diesen Prozess detaillierter niederschreibe. Daher beschränke ich es auf einige wenige „Zwischenstationen“.
Meine Tante entdeckte für sich erst die Esoterik und dann eine obskure Gruppe an „Christen“. Diese trafen sich regelmäßig, um die ganze Nacht miteinander zu beten. Meine Mutter sprang auf diesen Zug auf und nach ihr sogar meine Schwester.
Monat für Monat wurde es schlimmer. Und noch ein bisschen schlimmer und dann noch ein bisschen schlimmer.
Irgendwann entdeckte meine Mutter eine neue … Terrorzelle … ah nein, da habe ich wohl etwas durcheinander gebracht. Es war und ist eine polnische Gemeinschaft die etwas betreibt, dass ich als Jugendherberge für Erwachsene Christen bezeichnen würde. Ja, der Vergleich passt. Von überall her kommen gläubige, ehrfürchtige und brave Katholiken, um dort zu verweilen und zu beten.
Mitten drin – SPOTLIGHT AN – der Priester dieser Gemeinde. Ihr dürft es euch nicht so profan vorstellen, wie wir es in Deutschland gewöhnt sind. Nein, nein, nein. Dieser Priester ist mehr ein Popstar, als ein heiliger Mann. Er wird gefeiert, ihm wird gehuldigt und er wird auf ein Podest gestellt, damit alle braven Katholiken vor ihm in den Staub fallen können.
Wenn du jetzt den Eindruck hast, dass dieser Mann seine Rolle und Aufgabe innerhalb der römisch katholischen Kirche missverstanden hat, dann liegst du komplett falsch.
Ein polnischer katholischer Priester ist so viel mehr als nur ein einfacher Priester. Ich meinte das wirklich ernst, als ich ihn mit einem Popstar verglich. Ihm wird ein Raum eingeräumt, dass ich immer und immer wieder nur mit dem Kopf schütteln kann. Wenn man ehrlich ist, dann muss man ihm eingestehen, dass der arme Tropf gar nichts dafür kann. Andererseits tut er auch nichts dagegen. Demut ist wohl nicht wirklich seine Stärke.
Ich schweife wieder ab. Das beste wird sein, wenn ich euch einfach mit auf die Reise nehme, und einige wenige Einblicke mit euch teile.
Menschenverstand vs. Zwangstaufe
Mein Kind ist selbstverständlich getauft. Warum? Weil man oft Betriebsblind ist oder den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. In einem Gespräch (mit wem weiß ich nicht mehr) kam die Frage nach der Taufe meiner Tochter auf. Natürlich hatte ich dies nicht vor. Doch der nachfolgende Satz ließ mich regelrecht zusammenzucken: „Meinst du nicht das deine Mutter sie dann heimlich taufen lässt?“ Das hatte gesessen. Betriebsblind – logisch.
In Windeseile besorgte ich ein Taufkleid, sprach mit dem Pfarrer und meine Schwiegereltern übernahmen die Feier. Somit war mein Kind nun ein offizielles Mitglied der evangelischen Gemeinde. Ist das schlimm? Natürlich nicht. Meine Mutter erzählte mit erst sehr viel später das ich beruhigt sein kann. Sie hatte mit ihrem Priester gesprochen und er hat ihr versichert, dass sie nicht zusätzlich katholisch getauft werden muss. Ihre Seele ist auch so vor dem Teufel sicher. Amen.
Menschenverstand vs. die letzte Ölung
Eine Bekannte meiner Mutter lag im Krankenhaus und man bereitete sich auf ihren Tod vor. Diese Frau war weder gläubig, noch wollte sie an ihrem Totenbett in irgendeiner Form religiösen Beistand. Was tat darauf hin meine Mutter? Richtig. Sie schnappte sich einen Priester, führe ihn zum Totenbett der Bekannten, und er verpasste ihr die letzte Ölung. Woher ich das weiß? Weil sie sich damit gebrüstet hat, und sie war richtig stolz auf sich. Ich war sprachlos und entsetzt.
Menschenverstand vs. Kreuzzüge
Kreuzzüge … hm, was war das nochmal? Mal kurz überlegen … waren das nicht Massenhinrichtungen an Menschen, die nicht brave Katholiken werden wollten. Irgendwo in meinem Kopf geistert die Zahl von schätzungsweise 22 Millionen Menschen, die im Namen der Kirche sterben mussten. Und da sind die ganzen Hexenverbrennungen und die Hinrichtungen von Ketzern nicht eingerechnet.
Habt ihr davon schon mal etwas gehört? Kommt euch der Begriff Kreuzzug irgendwie bekannt vor? Nun, da haben die Freimaurer ganze Arbeit geleistet. Weil … das alles Lügen sind. Schon seit Anbeginn der Zeit versuchen Geheimgesellschaften die Kirche in Misskredit zu bringen. Sie setzten diese Lügen über die römisch katholische Kirche in die Welt, um sie zu unterwandern und zu stürzen. Habt ihr das nicht gewusst? Dann ist es ja gut das ich durch die Gemeinde aufgeklärt wurde, und auch euch jetzt die Augen geöffnet habe.
Bevor ich es vergesse: Natürlich hat unsere Kirchensteuer nicht mit dem zweiten Weltkrieg zu tun, und Ablassbriefe wurden nicht aus Geldgier von der Kirche eingeführt. Nein, die Beichte gab es schon immer.
Menschenverstand vs. Papst
Meine Mama hat ein Bild von sich auf dem sie vor dem Papst kniet und ihm die Hand küsst. Für sie war es ein großer und aufregender Moment als er sie zu sich gerufen hat. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Sie unternahm auch viele Pilgerfahrten an die unterschiedlichsten Orte auf dieser Welt. Orte an denen Wunder geschahen oder Maria regelmäßig erscheint. Johannes Paul II verstarb und die halbe Welt trauerte um ihn. Auch ich fand das sehr traurig, da er gefühlt mein ganzes Leben in Amt und Würden war.
Es wurde ein neuer Papst gewählt. So wie es sich gehört. Es wurde ein Deutscher. Bei einem Besuch seiner Heiligkeit in Deutschland wunderte ich mich, dass meine Mutter nicht mit ihren lieben Betschwestern und Betbrüdern dort hingeeilt ist. Ich sprach sie daraufhin an und … Überraschung. Ich habe wieder etwas dazugelernt. Denn er war leider kein richtiger Papst – und der jetzige ist auch nicht wirklich einer. Warum? Sie sind keine Polen.
Menschenverstand vs. Wunderheiler
Einer meiner liebsten Geschichtet handelt von einer Nonne. Nicht irgendeine Nonne. DIE NONNE. Sie kann Wunder bewirken. Wirklich. Ein paar Mal im Jahr kommt sie nach Frankfurt um dort mit der großen Gemeinde zu beten. Was das Besondere daran ist … sie berührt einen am Kopf und man fällt einfach um. Bumm. Deswegen sind immer viele helfende Hände da, die die Gläubigen auffangen.
Sie weiß auch viel über die einzelnen Personen. Erkennt die Krankheiten und Nöte durch …. hm, Gotteswort? Aber immer und immer wieder stehen die Menschen vorne und sind dankbar und berichten über ihre Heilungen. Achtung, jetzt wird es wie ein bisschen im Film oder einer obskuren Sekte. Ein Mann der nicht mehr laufen konnte, stand einfach aus seinem Rollstuhl auf uns war geheilt. Ein sterbenskranken, der den Kerbs nicht besiegen konnte hatten am nächsten Tag keinen mehr. Cool, was?! Die einen hörten „nur“ sofort mit dem Rauchen auf oder andere waren „nur“ gesegnet.
Ich habe diesen Besuchen nicht beiwohnen können, weil ich nicht weiß, ob ich mich komplett zurücknehmen könnte. Meine Mutter bekniete mich immer und immer wieder. Immerhin habe ich mich eines Tages vor den Gebäude mit ihr getroffen. War ein Fehler. Das nehme ich schon vorneweg. Denn dort sah ich, dass sie die geistig behinderte Tochter ihrer Arbeitgeber dabei hatte. Natürlich mit deren Erlaubnis und in dem Moment wusste ich nicht, wer mehr einen an der Klatschte hat. Das Mädel musste Stunde um Stunde dort still ausharren. Wofür? Wenn die Nonne sie ausgewählt hätte, dann hätte sich über Nacht die Behinderung sicher verflüchtigt. Sorry, aber die haben sie doch nicht alle.
Menschenverstand vs. da hat sie nochmal Glück gehabt
Im Grunde bin ich ein sehr friedliebender Mensch, aber wie sicher einige andere auch, habe ich einen riesigen roten Button auf dem in dicken Lettern drauf steht: „Achtung, diesen Knopf niemals drücken.“
Meistens geht es dabei um Menschen die mir wichtig sind. Mein Vater teilt meine Einstellung zur Kirche. Im Gegensatz zu mir ist er aber gläubig und betet auch regelmäßig. Und was macht meine Mutter – richtig. Sie kam mit einem Priester an, damit er ihm die letzte Ölung gibt. Mein Vater war zu dem Zeitpunkt bereits im Altersheim aber sehr weit davon entfern zu sterben. Was macht es emotional mit einem Menschen, der sich nicht bewusst ist sterbenskrank zu sein, wenn ein Priester zu ihm geht und ihm die letzte Ölung verabreicht?
Meine Mutter hat es mir natürlich sofort erzählt. Auch mit dem Nachsatz, dass er jetzt sterben kann. Ist ja jetzt alles erledigt. Ich habe eingeatmet – ich habe ausgeatmet. Mehr ging zu dem Zeitpunkt nicht mehr ohne auszurasten. Ich ging direkt zu meinem Vater und er erzählte mir von seinem Besuch.
„Deine Mutter war hier und hatte so einen Pinguin im Schlepptau. Der hat dauernd mit mir gesprochen, aber ich habe nur genickt und ihn labbern lassen. Ich habe extra mein Hörgerät nicht reingemacht. Sein blödes Geschwätz muss ich mir nicht anhören.“ Dazu kann ich nur sagen: „Mutti, du hast wirklich glück gehabt. Sehr viel Glück. Das Echo hättest du nicht erleben wollen.“
Jetzt schließe ich meine kleine Geschichten Sammlung, aber ich könnte noch ewig weiterschreiben. Es ist wichtig das hier nicht rüber kommt, dass meine Mutter eine religiöse Spinnerin ist. Sie sind alle so. Wirklich. Und natürlich bekommt sie auch viel Lob und Zuspruch für ihre Taten. Der größte Teil der gläubigen Polen haben eine Bindung zur Kirche, wie sie für mich nicht nachvollziehbar ist. Der Status den man ihr einräumt ist für mich einfach unverständlich. Die Kirche ist gottgleich – es ist die wichtigste Institution auf Erden. Und vielen Christen ordnen der Kirche alles unter. Schade.
Eine Antwort zu “Farbenblind”
Liebe Julusch,
mit Staunen und – ja, auch – Entsetzen las ich Deine Geschichte hier und vieles deckt sich mit meinen Erlebnissen. Bei mir geht es um Herrnhut (Du kennst es sicher?). Herrnhut und seine Einwohner, so christlich, so viel Nächstenliebe predigend, aber nichts davon lebend – eine andere Geschichte.
Diese „Heilungsgeschichten“, die Du beschreibst, kenne ich aus der Freikirche in Dresden. Ich lebte bis vor drei Jahren in einer solchen Sektenfamilie, wie ich sie im Nachhinein nannte.
Das Schlimme daran ist, diese Menschen sind so derartig überzeugend, dass man, selbst als (geglaubt) stabiler Mensch beeinflusst wird und in ihr Netz gerät. Ich habe einmal bei einem Gottesdienst in Dresden erlebt, wie eine junge Frau schrie. Sie schrie, Julusch, wie am Spieß! Sowas habe ich noch nie gehört. Ich bin eine HSP und ohnehin sehr empfindlich auf Geräusche und solcherlei Eindrücke.
Ich fragte: „Um Gottes Willen, was hat sie denn? Ihr müsst den Arzt rufen!“
Haha, ich wurde beruhigt: „Nein, das müssen wir gewiß nicht. Satan kommt aus ihr heraus.“
Aha, Satan. Ich bat meinen inzwischen geschiedenen Mann zu gehen. Ich dürfe draußen warten, er wolle unbedingt noch bleiben.
Wenn ein Atheist das Haus meiner (Ex-)Schwiegereltern betrat, sind sie anschließend mit Rotwein um das Haus gegangen und haben dabei gebetet. Damit wollten sie die „Verunreinigung“ beseitigen.
Na, ich hätte den Wein ja viel lieber getrunken!
Heilungsgottesdienste – ich könnte stundenlang darüber schreiben. Ich war 8 Jahre lang schwer krank (Borreliose), habe viel Zeit in Krankenhäusern verbringen müssen, an Infusionen, zwei Mal in Lebensgefahr (Nieren).
Ich dachte: Okay, dann versuche ich es mal. Schaden kann es doch nicht! Der Mann, der sogenannte Heiler, kümmerte sich um schmerzende Schultern sehr intensiv oder um kleine Kopfaualeins (ich Sarkastin!), aber zu mir kam er nur kurz, legte die Hand auf die Schulter und los ging die Beterei. Genau eine Minute und nicht sehr bei der Sache war der Herr. Klasse!
Noch besser war dann aber, dass er zehn Minuten später zu mir kam und fragte, ob es mir besser ginge! Man stelle sich das nur vor. Die Borreliose zog 15 weitere Diagnosen nach sich. Da ist nix mit kurzzeitigen Schulterschmerzen oder so. Never.
Die Familie meines (Ex-)Mannes empfing den Dr. Morgan aus Amerika – einen großen Guru auf diesem Gebiet. Als der mich sah, hasste er mich. Ich hasste ihn auch. Das war ein ganz schrecklicher, egozentrischer, ja, sogar gefährlicher Mann. Er hörte sich gern reden – ein Selbstdarsteller vor dem Herrn. Dem Irren musste ich mein Schlafzimmer überlassen. Kein Dank dafür. Nur böse Blicke.
Weißt Du was? Wenn ich mir einen Teufel bildlich vorstellen muss, dann sieht er so aus, wie dieser Dr. Morgan. Definitiv!
Ich danke Dir sehr für Deinen Bericht und bin Dir hier sehr nahe, Julusch!
Lass Dich mal umarmen (wenn leider auch nur virtuell)!
Sylvia
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