Freund oder Feind: Ene, men, muh, wie alt bist du?

Passend dieser Abzählreim, auch wenn ich mir ein wenig künstlerische Freiheit in der Reihenfolge zugestanden habe.

Seit geraumer Zeit spreche ich mit meiner besseren weiblichen Hälfte über das Alter. Bis vor einiger Zeit hatte ich kein Problem damit, paarundvierzig zu sein. Im Gegenteil. Ich fühlte mich gut, reifer, weiser und bereit in dem neuen Jahrzehnt richtig durchzustarten. Der Start wurde mir mehr als nur erschwert, aber dennoch war ich guter Dinge.

An dem 50. Geburtstag meiner Mutter, kam sie mir unendlich alt vor. Noch einmal richtig feiern und dann geht es im Leben bergab. Ich tauschte mich an diesem Abend mit meiner Schwester aus, und wir konnten beide kaum glauben, dass unsere Mutter ein halbes Jahrhundert alt ist. In unseren Augen rieselte der Staub des Alterns sinnbildlich aus allen ihren Poren. Aber sie hatte eine Menge Spaß. Der arme alte Tropf.

Nun denn, meine Schwester wurde vor … hm … mal überlegen – einigen Jahren ebenfalls 50. Es sollte eine große Party, mit vielen Gästen werden. Wenige Tage davor starb leider unsere andere Schwester, und so gab es natürlich keine Feier mehr. Nur ein Abendessen im kleinsten Kreis der Familie. Heute finde ich es schade, denn man hätte sie gleichzeitig damit Ehren können. Aber vielleicht bin ich da auch kein Maßstab. Wenn du mich heute Fragst, wann mein Vater gestorben ist, dann werde ich dir das nicht sagen können. Ich kann dir nur sagen, dass es ungewöhnlich warm war und am Tag seiner Bestattung, die Kraniche über das Land flogen. Das war ein wunderschöner Anblick. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich bin thematisch abgedriftet. Wir waren beim Alter, dem Altern und meinen Gedanken dazu. Vielleicht haben wir zu oft darüber gesprochen oder ich zu viel darüber nachgedacht, aber die Tatsache das ich paarundvierzig bin, lässt mich nicht mehr los. Ich bin paarundvierzig und ich habe keine Perspektive, keinen Plan und kein Ziel auf das ich mich fokussieren kann. Die Zeit zerrinnt derzeit in meinen Händen und ich weiß nicht wohin. Eher ich mich umsehen kann, werde ich paarundfünfzig sein. Ich finde die Vorstellung absurd. Ja, das ist eine komische Wortwahl, aber es stimmt. Julusch mit 50 Jahren? Absurd. Aber genauso ungläubig schaue ich meine Schwester an, und kann einfach nicht glauben, dass sie schon so alt sein soll. Absurd.

Und nun? Was habe ich aus diesen Gedanken gelernt? Was sollte ich tun? Ist mein Alter eine Zeit des Umbruchs? Mit Mitte paarundvierzig sollte man schon überlegen, wo die Reise hingehen soll, oder?

Familie? Beziehung? Beruf? Wohnraum? Reisen? Genießen? Leben? Erleben? Was davon ist mir wichtig und was davon macht mir Angst? In welchem Bereich sehe ich meine nächsten Herausforderungen?

Paarundvierzig. Eigentlich ein gutes Alter. Noch.
Paarundvierzig. In der freien Wirtschaft ist das die magische Grenze zwischen engagiert und altbackend.
Paarundvierzig. In diesem Alter lassen sich die meisten Paare scheiden.
Paarundvierzig. Mit knapp 25 Prozent ist das der größte Anteil an Menschen in Deutschland.
Paarundvierzig. Ist mittlerweile das Durchschnittsalter bei Immobilienkäufen.

Wahrscheinlich kann ich noch Unmengen an weiteren statistischen Auswertungen dazu finden. Man kann jetzt sagen: „Paarundvierzig? Interessiert mich nicht. Ich lebe mein Leben und das Alter ist mir egal.“ Dann bleibt zu hoffen, dass es mit paarundfünfzig kein böses Erwachen gibt. Oder man beginnt darüber nachzudenken, wo man mit paarundfünfzig stehen möchte. Wie möchte man dieses Jahrzehnt füllen? Was kann man – soweit keine gravierenden Einschnitte im Leben geschehen – tun, dass man zufrieden auf diese Jahrzehnt zurück schaut.

Habt ihr einen Plan? Habt ihr bewusst darüber nachgedacht, wie ihr Euer Leben, das kommende Jahr, das kommende Jahrzehnt verbringen wollt? Lasst ihr Euch vom Moment leiten oder habt ihr eine grobe Struktur?

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mich an Euren Gedanken teilhaben lasst.

Eure Julusch

3 Antworten zu “Freund oder Feind: Ene, men, muh, wie alt bist du?”

  1. Deine Zeilen bewegen mich.

    Ich bin jetzt 32 und ich will mir nicht anmaßen zu sagen, ich weiß dass ich mit dem stetig zunehmenden Alter später gut klarkommen werde. Dennoch vermute ich es. Manchmal habe ich sogar Lust auf die Ruhe und die Weisheit, die das Älterwerden mit sich bringt, und die für mich hin und wieder spürbar wird, wenn ich durch die Straßen gehe und merke, ich gehöre nicht mehr zu den jungen Leuten. Zumindest nicht für die jungen Leute. Ich finde das spannend und erleichternd. Zugleich lebe ich das erste Mal wirklich MEIN Leben. Als ich noch jung war, traute ich mich das nicht. Aber jetzt traue ich mich das. Deshalb lebe ich jetzt viel mehr als früher. Und deshalb ist es gut.

    Für mich ist es, wie alles, eine Frage der Liebe. Und eine Frage der inneren Ziele, nicht der äußeren.
    Vielleicht kann es zusammenfassend am besten so sagen: Ich weiß, wie ich sterben will (nämlich in Frieden und Liebe), also weiß ich auch, wie ich leben will (was ich dafür tun werde/will, dass es später so sein wird).

    Ich schick dir viele Grüße! Danke fürs Teilen deiner Gedanken!

    Meike

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  2. Liebe Julusch,

    ich glaube es ist gar nicht so einfach – trotzdem versuche ich es – das Mittelding zu finden zwischen der Überlegung, was möchte ich in meinem Leben ändern, ansteuern etc. und gleichzeitig alles loslassen, mich dem Leben, dem Moment überlassen. Und dabei feststellen, dass alles seinen eigenen Gang geht und der Versuch von planenden Eingriffen manchmal unnötiger Energieaufwand ist, weil es eh anders kommt und seinen eigenen Weg geht.

    D.h. einerseits gibt es bestimmte Ziele, die ich aus dem Inneren heraus ansteuern muss und nicht anders kann, obwohl der Zeitpunkt, wann sich in dem Thema etwas bewegt, dann eine ganz andere Sache ist. Dann, wenn es reif ist, bewegt sich etwas, nicht dann, wann ich denke es wäre Zeit.

    Die Gedanken übers älter werden grundsätzlich machen mir durchaus zu schaffen. Noch klammere ich mich daran, dass ich noch 55 bin, im Sommer aber 56 werde, wo die Waage dann schon kippt Richtung 60 und das ist für mich irgendwie auch noch ziemlich absurd. Wenn ich Fotos von mir sehe, dann kommt es mir im Moment so vor, als könne es überhaupt nicht sein, dass das ich bin. Ich sehe lieber nicht hin und bleibe bei dem, wie ich mich innerlich fühle, damit geht es mir grad besser.

    Als ich 40 wurde sagten mir alle meine Kolleginnen im damaligen Großraumbüro, 40 sei eine Art magische Grenze und ich werde es sicher auch noch erfahren, dass danach irgendwas einfach anders ist. Ich sagte: „Ich weigere mich“, sie schmunzelten und dachten, sie wird schon sehen… Und für mich war tatsächlich nichts anders und es war keine magische Grenze.

    Zu der Zeit bekam ich eine neue Kollegin, sie erzählte mir, sie feiere ihren 50. und bekäme ein neues Bike geschenkt, damit sie mit ihrem Mann Touren unternehmen kann. Sie kam mir alt vor und ich dachte, was will sie denn mit ihrer pseudo-sportlichen Erzählerei erreichen? Einen auf jung machen?

    Die 50 war für mich selbst dann eher eine frohe Zeit. Ich hatte im Jahr davor meinen langjährigen Job mit hoher Abfindung hingeschmissen und bewegte mich ziemlich frei und ungezwungen auf allen Wegen, die mich anzogen, hatte mich bewusst geweigert mich arbeitslos zu melden, um nicht dem Prozedere unterworfen zu werden, in welcher Zeit ich wieviele Bewerbungen vorzuweisen hätte etc. Ich fühlte mich ziemlich frei, probierte hier und da, versuchte dieses und jenes und lernte (durchaus mit Schwierigkeiten), auch einfach mal zu sein. Tagsüber hinlegen und schlafen und völlig verzückt und glücklich aufzuwachen, z.B. Geld für Sachen auszugeben, was mir bis dahin nie möglich gewesen wäre.

    Jemand sagte: Älter werden ist nicht schwer, aber es will gelernt sein damit umzugehen. Ja, alle werden älter, es geht nur in die eine Richtung. Damit umzugehen, das ist eine Herausforderung und ich versuche im Lernprozess zu bleiben. Mal geht es besser, mal weniger.

    Liebe Grüße
    Marion

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  3. Ach ja, paarundvierzig. So jung! *seufz*. Ich weiß noch als ich so alt war. War genau wie Du, mein Kind! Mitten in der Midlive-Crisis. Ja, ich glaube, so nennt man das. Wenn man merkt, dass die Ziele, die man hatte, entweder erreicht oder irgendwie zu anstrengend sind. Oder wenn man plötzlich keine mehr hat und sich fragt, ob das eine Krankheit ist. So eine Art „Midlive-Cancer“.
    Es hat ein paar Jährchen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass es eigentlich gut ist. So ohne Ziele kann man einfach – den Tag genießen. Und den nächsten. Und …
    Das einzige was man überwinden muss ist die eigene Vorstellung von sich selbst. So wie damals, als man so groß für den Sandkasten war und dieser schönen Zeit irgendwie nachtrauerte. *Seufz*

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